Julian Künkele, Vorsitzender der SPD-Gemeinderatsfraktion

Haushaltsrede, gehalten in der Gemeinderatssitzung am 22.02.2018

In der Gemeinderatssitzung am 22.02.2018 hielt der Vorsitzende der Fraktion, Julian Künkele, die Haushaltsrede für die SPD-Fraktion. Die Haushaltsreden im Gemeinderat geben traditionsgemäß einen Überblick über die Schwerpunkte der Fraktionen für das neue Haushaltsjahr.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Scharmann,

sehr geehrter Herr Bürgermeister Deißler,

meine Damen und Herren,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

zum ersten Mal liegt vor uns ein Haushalt, der nach dem neuen kommunalen Haushaltsrecht aufgestellt wurde. Mehr Informationen, aber versteckt in deutlich mehr Zahlen. So könnte ein laienhaftes, etwas ironisches Zwischenfazit ausfallen. Deutlich wird aber auch, was für ein Aufwand durch die Umstellung entstanden ist. Hier möchten wir Herrn Weingärtner und seinem Team einen Dank aussprechen.

Geht man etwas tiefer in den Haushalt, ist zu sehen, dass die Einnahmen sprudeln. Man sieht aber auch eine geplante Schuldenaufnahme von über sieben Millionen Euro. Wie passt das zusammen?

Beim Blick auf die Investitionen fallen hier besonders die Gartenschaumaßnahmen mit gut 4 Millionen Euro auf. Weitere große Projekte sind hier die Herstellung des Birkelareals und die Sanierung der Grundschule in Großheppach.

Bevor ich hier auf einzelne Maßnahmen eingehe, möchte ich nochmal einen Schritt zurückgehen und den Haushalt in einen größeren Zusammenhang stellen. Das höchste Ziel einer Kommune sollte es sein, eine lebenswerte Stadt zu schaffen und das sollte sich im Haushalt wiederspiegeln. Was hier so allgemein und nichtssagend klingt, bedeutet ganz konkret zwei Dinge:

  1. Daseinsvorsorge: Die Grundversorgung, die Pflichtaufgaben. Die Schaffung der Infrastruktur für das tagtägliche Leben. Damit allein kann es aber sicher noch nicht getan sein.
  2. Die freiwilligen Aufgaben: Ohne die Erfüllung dieser Aufgaben wären wir sehr schnell nur eine Schlafstadt vor den Toren Stuttgarts. Hierzu gehören beispielsweise die Förderung des Sports, Schaffung von Plätzen mit Aufenthaltsqualität aber auch sehr individuelle Themen wie zum Beispiel Förderung des Ehrenamts oder Schuldnerberatung. Bei der ganzen Diskussion um Pflicht- und freiwillige Aufgaben, darf nie außer Acht gelassen werden, dass gerade die freiwilligen Aufgaben der Stadt die eigene Identität geben.

Daher ist es nach wie vor richtig, dass Weinstadt sehr ambitioniert in die Gartenschau gestartet ist. Die Gartenschau bietet hier auch eine Chance, einige sinnvolle Projekte umzusetzen, die ohne Gartenschau wohl nicht gekommen wären. Nicht jedes Projekt hat die Diskussion im Gemeinderat überlebt und manches Projekt ist aus Gründen des Naturschutzes nicht umsetzbar. Und dennoch haben wir einige Vorzeigeprojekte, die Weinstadt nachhaltig verändern werden. Genannt seien hier ein paar Highlights:

–              Häckermühle: In allen Belangen ein Vorzeigeprojekt. Eine Mischung aus Hochwasserschutz, Renaturierung und Attraktivierung.

–              Das Langzeitprojekt Bürgerpark mit seinem enormen Fördervolumen, das in seiner Konzeption über die Gartenschau hinaus einzigartig für die Region ist.

–              Die neue Brücke über die Rems, die Remstalradweg und Trappeler mit der neu gestalteten Birkelspitze und dem Birkelareal verbindet. Hier werden ganz neue Möglichkeiten für Fußgänger und Radfahrer geschaffen.

Wir haben sehr große Hoffnung, dass das große bürgerschaftliche Engagement, das sich jetzt schon abzeichnet, Weinstadt in den nächsten Jahren positiv gestalten wird.

Bei allen neuen Projekten, die geschaffen werden, dürfen auch die bestehenden Identifikationsmerkmale Weinstadts nicht vergessen werden, zum Beispiel das Thema Streuobst. Hier beantragen wir, wie letztes Jahr auch schon, die Einstellung von 5000 Euro für Zuwendungen an Dritte und möchten uns an dieser Stelle für den ehrenamtlichen Einsatz der Vereine bedanken.

Die Nähe zu Stuttgart hat nicht nur positive Seiten für unsere Stadt. Weinstadt gehört seit Jahren in verschiedenen Rankings zu den 30 teuersten Städten in Deutschland. Ein zweifelhafter Spitzenplatz. Es ist der Punkt erreicht, an dem sich ein Leben in Weinstadt nicht mehr jeder leisten kann.

Es ist Zeit, die Wohnbaupolitik in Weinstadt endlich zu überdenken. Die sozialste Wohnbaupolitik ist und bleibt, die Erhöhung des Angebots, also Nachverdichtung, städtischeres Bauen und das Erschließen neuer Baugebiete. Zunächst sollte der Fokus auf dem Neubaugebiet Halde V liegen. Nach dessen Abschluss sind die Wohngebiete Furchgasse in Schnait und Deitwiesländer in Beutelsbach in Angriff zu nehmen. Weitere Potentialflächen, ob im Innenraum oder außerhalb der jetzigen Bebauung sollten, erfasst, bewertet und dokumentiert werden. Gleiches gilt für Leerstände.

Neue Wohnungen allein reichen allerdings nicht aus. Wir müssen auch direkt an die Mieten ran. Auf die Selbstregulierung des Markts können wir hier nicht vertrauen. Auch das ist schon länger bekannt.

Daher ist es gut, dass die Stadt nach jahrelangen Forderungen aus dem Gemeinderat sich wieder im sozialen Wohnungsbau engagiert. Ausruhen darf man sich darauf aber bei Weitem nicht. Doch wie soll es nun weitergehen? Wir als SPD Fraktion fordern die Einführung einer verbindlichen Sozialquote für alle kommenden Wohnbaugebiete, also einen festen Prozentsatz an sozialem Wohnungsbau. Ziel muss es auch sein, private Investoren in die Verantwortung zu nehmen. Wir müssen uns hier als Stadt nicht verstecken. Eine Sozialquote kann man nicht von heute auf morgen erzwingen. Sie muss eingebettet sein in ein neues umfassendes Weinstädter Wohnmodell. Das wäre die konsequente Weiterentwicklung des Baulandentwicklungsmodells von 2013. Aber auch hier muss das Rad nicht neu erfunden werden. In vielen Städten hat das Umdenken schon eingesetzt. Hier schlagen wir einen kommunalen Erfahrungsaustausch, zum Beispiel mit der Stadt Aalen vor.

Auch bei den Gewerbeflächen herrscht Knappheit. Eine zeitnahe Fertigstellung und Vermarktung des Birkelareals ist sehr wichtig. Hier ist die Stadt auch in große Vorleistung gegangen. Und auch danach muss es mit neuen Gewerbegebieten weitergehen. Zu viele Weinstädter Unternehmer klagen darüber, sich in Weinstadt momentan nicht weiterentwickeln zu können.

Wir werden nicht um eine Diskussion des gesamten Flächennutzungsplans in Weinstadt herumkommen. Das mag an der einen oder anderen Stelle durchaus unbequem werden, es ist aber entscheidend für die langfristige Entwicklung Weinstadts. 2018 könnte der Einstieg in die Diskussion sein, spätestens nach der Gartenschau muss die Diskussion beginnen.

Es freut uns sehr, dass im Haushaltsplan für 2018 eine erste Rate für das Wasserrückhaltebecken Schachen eingeplant ist. Trotz der immensen Kosten führt an einer zeitnahen Realisierung kein Weg vorbei. Das Projekt ist zu wichtig um an Gründen des Naturschutzes zu scheitern. Zudem werden Ausgleichsmaßnahmen geschaffen.

Das Radwegekonzept in Endersbach ist ein sehr guter erster Schritt. Es ist darauf zu achten, dass dies kein Konzept für die Schublade wird, sondern konsequent weiterverfolgt wird. Nach und nach müssen weitere Bereiche Weinstadts unter die Lupe genommen werden. Es wird Zeit, dass Fußgänger und Radfahrer endlich zu gleichberechtigten Verkehrsteilnehmern werden. Das gehört zu einer lebenswerten Stadt heutzutage einfach dazu.

Der Schulentwicklungsplan für die Weinstädter Grundschulen liefert die Zahlen, die politische Entscheidung wird dem Gemeinderat aber niemand abnehmen. Ungeachtet des letztendlichen Ausgangs der Debatte, wird das sehr weitreichende Folgen für die Grundschulen in erster Linie, aber auch die Entwicklung Weinstadts als Gesamtes haben. Umso wichtiger ist es, dass die Debatte offen und ehrlich geführt wird und allen Argumenten mit dem notwendigen Respekt begegnet wird.

Darüber hinaus besteht an den meisten Weinstädter Schulen ein großer Sanierungsstau. Insgesamt sind im Haushaltsplan für die nächsten Jahre 21 Millionen Euro für Investitionen an den Schulen vorgesehen. Für 2019 sind es 2 Millionen, allerdings ohne Berücksichtigung der Ergebnisse aus dem Schulentwicklungskonzept. Um den Sanierungsstau nicht weiter wachsen zu lassen und die notwendigen Investitionen abzuarbeiten, könnte hier ein Sanierungsplan, analog dem Feuerwehrbedarfsplan helfen, bei dem die notwendigen Investitionen priorisiert werden und Jahr für Jahr ohne große Diskussionen transparent umgesetzt werden.

Für die Ausstattung der Schulen beantragen wir eine Aufstockung des Multimediabudgets um 10.000 Euro. Uns ist natürlich auch bewusst, dass der Bedarf damit nicht gedeckt werden kann.

Des Weiteren begrüßen wir den vorgesehenen Ausbau der Schulsozialarbeit am Bildungszentrum. Der Bedarf ist vorhanden.

In die Kinderbetreuung wurde in den letzten Jahren viel investiert. Es wird auch so weitergehen. Mit Blick auf den Gesamthaushalt haben auch wir die Erhöhung der Gebühren mitgetragen. Es wurde allerdings verpasst, die Einkommensgrenze für eine Gebührenermäßigung in dem Zusammenhang ebenfalls zu erhöhen. Daher haben wir hierfür einen Antrag formuliert.

2017 wurde das Stichwort Bürgerbeteiligung großgeschrieben. Die zahlreichen Veranstaltungen zum Thema Gartenschau oder zum Schulentwicklungskonzept sind gut angenommen worden. Mit dem Jugend-Hearing zum Jugendbereich in der grünen Mitte ist eine für Weinstadt ganz neue Form der Beteiligung erfolgreich durchgeführt worden. Wir wünschen uns, dass daran festgehalten wird. Der Input aus der Bürgerschaft ist wichtig.

Der Jugendgemeinderat hat mit dem Start seiner Legislatur vor einem Jahr den Anspruch formuliert, umfassend mitreden zu wollen. Die deutlich formulierte Kritik, nicht richtig eingebunden zu werden, ist verstanden worden. Wir freuen uns auf eine gute Zusammenarbeit im kommenden Jahr.

Das Thema Barrierefreiheit ist ein sehr vielschichtiges Thema. Es beginnt bei den kleinen Maßnahmen. Hier beantragen wir die Ersatzbeschaffung eines Aufzugs für den Stiftskeller. Aber auch an den Bahnhöfen herrschen eklatante Mängel. Es ist wichtig, dass der Druck auf die Deutsche Bahn hoch gehalten wird, nicht nur den Zugang zum Bahnsteig, sondern logischerweise auch vom Bahnsteig in den Zug barrierefrei zu gestalten. Kernen hat es ja auch geschafft.

Der Bedarf nach einem weiteren Pflegeheim in Weinstadt ist notwendig und deutlich erkennbar. Für die Pflegebedürftigen und die Angehörigen ist es wichtig, dass ein Platz in Weinstadt und nicht in weiterer Umgebung gefunden werden kann. Die ersten Planungen sollten in diesem Jahr starten.

Auch wenn das Thema Flüchtlinge etwas aus den Schlagzeilen verschwunden ist, wird hier in Weinstadt hervorragende Arbeit geleistet. Die dezentrale Unterbringung durch die Stadtverwaltung und der hohe persönliche Einsatz der Ehrenamtlichen tragen dazu bei, dass die Integration in Weinstadt gelingen kann. Vielen Dank!

Bedanken möchten wir uns auch bei Herrn Oberbürgermeister Scharmann und der Stadtverwaltung für eine gute Zusammenarbeit.

Julian Künkele
Vorsitzender der SPD-Gemeinderatsfraktion