Haushaltsrede der SPD-Fraktion 2023

Julian Künkele, Vorsitzender der SPD-Gemeinderatsfraktion

Zur Gemeinderatssitzung am 15.12.2022 veröffentlichte der Vorsitzende der Fraktion, Julian Künkele, die Haushaltsrede für die SPD-Fraktion. Wie bereits im Vorjahr wurden die Haushaltsreden nicht verlesen. Die Haushaltsreden im Gemeinderat geben traditionsgemäß einen Überblick über die Schwerpunkte der Fraktionen für das neue Haushaltsjahr.

Rede zum Haushalt 2023

SPD Fraktion

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Scharmann,
sehr geehrter Herr Bürgermeister Deißler,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

von der einen globalen Krise in die nächste globale Krise – so könnte eine Überschrift für das vergangene Jahr lauten. Nach zwei Jahren geht die Corona Pandemie ihrem Ende entgegen. Ihre Folgen, sozialer und ökonomischer Natur, werden in unserer Gesellschaft noch lange präsent sein. Da kommt es zu einem weiteren, lange Zeit schwer vorstellbaren, Ereignis – ein Krieg in Europa. Neben den Auswirkungen direkt in der Ukraine sowie weltweit gesehen, bekommen auch wir in Weinstadt die Konsequenzen zu spüren. Auf der einen Seite müssen wir mit den enormen Preissteigerungen und fehlenden Einnahmen auskommen, auf der anderen Seite sind mittlerweile eine große Zahl von Geflüchteten aus der Ukraine in Weinstadt angekommen. Der unterschiedliche Status der Geflüchteten aus der Ukraine und aus anderen Ländern – Stichwort direkte Aufenthaltserlaubnis versus Asylverfahren – stellt sowohl das Hauptamt, als auch das Ehrenamt vor große Herausforderungen. Nichtsdestotrotz sehen wir, dass trotz der großen Zahl an Flüchtlingen, die Unterbringung und Versorgung in Weinstadt weitgehend geräuschlos verlaufen. Dank einer großen Bereitschaft in der Weinstädter Bevölkerung, Wohnraum bereitzustellen, müssen keine Turnhallen belegt werden. Darüber hinaus wird auch durch das Weinstädter Integrationsmanagement sehr gute Arbeit geleistet. Und nicht zuletzt müssen wir uns glücklich schätzen, in Weinstadt einen extrem engagierten und professionellen Integrationsverein zu haben. Den Ehrenamtlichen möchte ich direkt zum Beginn der Rede einen großen Dank für ihren wertvollen Einsatz aussprechen.

Der Mitgliedertreff zu Besuch im Integrationshaus

Ich hatte es schon angedeutet. Die finanzielle Situation der Stadt stellt sich im kommenden Jahr als sehr schwierig dar. Das Steueraufkommen sinkt, die laufenden Ausgaben steigen weiter. Dazu kommen Kostensteigerungen in fast allen Bereichen. Die Personalkosten steigen immer weiter. Für das kommende Jahr sind wieder neue Stellen eingeplant, die meisten ohne Gegenfinanzierung. Damit setzt sich der Trend aus den letzten Jahren fort. Bei genauerer Betrachtung der Stellen wird allerdings schnell klar, dass diese Stellen benötigt werden, um gesetzlichen Anforderungen zu genügen oder um die Verwaltung arbeitsfähig zu halten. Ein Verzicht auf diese Stellen kann keine Option sein, insbesondere dann, wenn man zudem betrachtet, dass ohnehin viele Stellen aufgrund des Fachkräftemangels unbesetzt sind. Bei den steigenden Personalkosten kommt schnell der Reflex, Stellen danach zu bewerten, ob sie der Stadt Geld einbringen und freiwillige Leistungen in Frage zu stellen. Davor möchten wir warnen. Der soziale und kulturelle Bereich ist strukturell defizitär. Oft handelt es sich dabei um freiwillige Aufgaben. Aber es sind genau die Bereiche, die Personen unterstützen, die darauf angewiesen sind und eine Stadt lebenswert machen. Die Aussage, dass man sich in schwierigen Zeiten auf die Pflichtaufgaben konzentrieren und freiwillige Aufgaben grundsätzlich hinterfragen soll, ist gefährlich. Wir stimmen dem Stellenplan im Haushaltsplanentwurf zu.

Gleichzeitig muss man an dieser Stelle auch betonen, dass die Kommunen einige Aufgaben wahrnehmen, die vom Bund beschlossen wurden, ohne aber den Kommunen die ausreichende finanzielle Ausstattung zur Verfügung zu stellen. Dazu gehört der Rechtsanspruch für die Kinderbetreuung oder der geplante Rechtsanspruch auf Ganztagesbetreuung an den Schulen. Diese Gesetze sind richtig und tragen zur Chancengleichheit in unserer Gesellschaft bei, aber den Kommunen nehmen diese Gesetze ohne die finanzielle Ausstattung langfristig die Luft zum Atmen.

Vergleicht man das Gewerbesteueraufkommen von Weinstadt mit den anderen großen Kreisstädten, wird schnell deutlich, wo finanziell gesehen die größte Schwachstelle von Weinstadt ist. Durch die geplante Vollzeitstelle des Wirtschaftsförderers erhoffen wir uns neue Impulse für Weinstädter Unternehmen und solche, die es werden könnten. Auf der anderen Seite müssen wir als Stadt die Rahmenbedingungen schaffen, dass die knappen Gewerbeflächen auch hochwertigem Gewerbe zur Verfügung stehen. Das funktioniert in erster Linie über das Planungsrecht. Wir möchten an dieser Stelle an unseren Haushaltsantrag von letztem Jahr erinnern, ein Bebauungsplanverfahren für das Gewerbegebiet Siemens-/Heinkelstraße zu eröffnen, mit dem Ziel, durch das Planungsrecht die
Qualität im Gebiet aufrecht zu halten und langfristig zu steigern. Ohne bzw. mit einem unspezifischen Bebauungsplan droht über die Nutzungswechsel hinweg ein schleichender Niedergang und der Verlust der Flächen für die hochwertigen Betriebe.

Wir begrüßen, dass seitens der Verwaltung namenhafte Beträge für Sanierungen im Haushaltsplanentwurf vorgesehen sind – wie in den Vorjahren auch schon. In finanziell schwierigen Zeiten neigt man dazu, Sanierungen hinauszuzögern. Aber der Haushaltsplanentwurf zeigt, dass Weinstadt zu seinen Schulen und Sportstätten steht und dem Sanierungsstau begegnet. Im Bereich der Schulen sind auch für das kommende Jahr enorme finanzielle Anstrengungen geplant. Zudem wird die Digitalisierung des Schulalltags weiter vorangetrieben. Im Vergleich zu anderen Kommunen, muss sich Weinstadt hier nicht verstecken. Für 2023 sind wieder 270.000 Euro für die Digitalisierung an den Weinstädter Schulen eingeplant. Darüber hinaus steht die größte Investition der Stadt in den vergangenen Jahren: die Erweiterung der Grundschule Endersbach. Die Kostensteigerung bei dieser Maßnahme hatte den Haushalt zwischenzeitlich in Schieflage gebracht. Letztendlich war es notwendig, die Erweiterung der Grundschule Endersbach gegenüber dem Neubau der Grundschule Beutelsbach zu priorisieren. Auch wenn der Sanierungsbedarf in Beutelsbach erheblich ist, muss die Grundschule in Endersbach zuerst erweitert werden, weil sie absehbar schlichtweg zu klein sein wird. Zwei Maßnahmen in dieser Größenordnung kann Weinstadt nicht parallel stemmen. Nach wie vor sind wir davon überzeugt, dass die Grundschule Beutelsbach an ihrem heutigen Standort mitten im Ort neu gebaut werden soll. Es mag aus finanziellen Überlegungen heraus Sinn machen, die Grundschule an den Ortsrand zu legen, aber pädagogische Überlegungen müssen hier höher gewichtet sein als ökonomische. Mit einer Grundschule in der Ortsmitte sind die Wege kürzer, die Schüler erhalten eine ganz andere Bindung zu ihrem Heimatort und ihrer Umwelt. Und letztendlich liegt es auf der Hand, dass eine Grundschule in der Ortsmitte im Schnitt die kürzesten Wege für alle Kinder gewährleistet.

Im letzten Jahr hat Weinstadt ein ambitioniertes Ziel beschlossen – bis 2035 klimaneutral zu werden. Dies geschah auf Initiative des Klimabündnisses Weinstadt. Die professionelle Arbeit, die durch das Klimabündnis geleistet wird, sowie die konstruktive Zusammenarbeit mit dem Gemeinderat und der Stadtverwaltung machen das Klimabündnis zu einer Bereicherung für die Stadt. In diesem Zusammenhang möchten wir an dieser Stelle auf den gemeinsamen Haushaltsantrag von GOL, CDU und SPD verweisen, mit dem die drei Fraktionen eine Projektidee des Klimabündnisses in den Gemeinderat bringen. Es wird beantragt, für finanziell schlechter gestellte Haushalte, die Anschaffungskosten für Balkon-PV-Anlagen zu großen Teilen zu übernehmen. Das macht aus ökologischer Sicht Sinn, aber in erster Linie auch aus sozialer Sicht. Die Zielgruppe für diesen Antrag kann durch die Anschaffung von Balkon-PV-Anlagen Strom und somit bares Geld sparen. Andererseits würden ohne die finanzielle Förderung durch die Stadt die finanziellen Mittel fehlen, um diese Investition stemmen zu können. Daher ist es wichtig, dass auch der Eigenanteil mit ca. 200 Euro vergleichsweise gering bleibt. Für viele ist auch das am Ende des Monats ein großer Betrag. Wir können uns vorstellen, das Programm im ersten Jahr zu beobachten und bei einem Erfolg auf die kommenden Jahre auszudehnen.

Unser zweiter Haushaltsantrag geht in die ähnliche Richtung. Es wurden bereits viele Klimaschutzmaßnahmen in der Stadt und bei den Stadtwerken umgesetzt bzw. für die Zukunft beschlossen. In erster Linie handelt es sich dabei um Maßnahmen im Einflussbereich der Stadt. Für effektiven Klimaschutz in Weinstadt ist es unerlässlich, dass auch im privaten Bereich Maßnahmen durchgeführt werden. Insbesondere im Baubereich sind hier große Potenziale vorhanden. Wir beantragen daher, für Weinstadt ein Förderprogramm für Klima- und Umweltschutz einzurichten. Dieses Förderprogramm soll private Vorhaben zur Energieeinsparung bzw. zum Umweltschutz von städtischer Seite bezuschussen. Gefördert werden soll die Wärmedämmung von Altbauten, der Austausch von Fenstern und Türen, Photovoltaikanlagen inklusive Batteriespeicherung, sowie der Austausch von Heizungspumpen, aber auch Umweltschutzmaßnahmen wie Dachbegrünung oder Zisternen. Mittelfristig soll sich das Förderprogramm als verlässliche Unterstützung von Klima- und Umweltschutzmaßnahmen im privaten Bereich etablieren. Gleichzeitig soll auch eine gewisse Lenkungswirkung erreicht werden. In diesem Sinne muss das Programm jährlich überprüft, nachjustiert und durch den Gemeinderat fortgeschrieben werden. Für das erste Jahr beantragen wir, dass 30.000 Euro in den Haushalt eingestellt werden.

Klimaschutz ist eine Bündelung von vielen kleinen und großen Maßnahmen auf lokaler und globaler Ebene. Von dem Weinstädter Klimaschutzaktionsplan im kommenden Jahr erhoffen wir uns, dass aufgezeigt wird, welche Maßnahmen die größten CO2-Einsparpotentiale haben. Die Debatte muss offen und frei von Ideologien und Totschlagargumenten geführt werden.

Klimaschutz durch Windenergieanlagen

In der letzten Haushaltsrede hatte ich noch die Hoffnung formuliert, das letzte Mal über die Umrüstung der Straßenbeleuchtung auf LED reden zu müssen. Nachdem wir jahrelang immer wieder versucht hatten, durch Anträge die Mittel zur Umrüstung zu erhöhen und den Prozess zu beschleunigen, stehen nun im Haushaltsplanentwurf die Mittel bereit, um die restlichen Leuchten auf LED umrüsten zu können. Aus ökologischer, aber auch finanzieller Sicht ein überfälliger Schritt. Als nächstes muss man sich der Flutlichtbeleuchtung an den Sportplätzen widmen.

Stadtverwaltung und Stadtwerke haben einen Weg aufgezeigt, wie der gordische Knoten in der Hallenbadfrage gelöst werden kann. Jetzt heißt es, entweder diesen Weg bestreiten oder akzeptieren, dass wir in Weinstadt auf Jahrzehnte kein Hallenbad mehr haben. Letzteres ist für uns keine Option. Zu lange haben die Weinstädterinnen und Weinstädter, die Schulen, aber vor allem die Vereine mit dieser aktuell vorherrschenden suboptimalen Situation gelebt. Es wird Zeit, dass Weinstadt als große Kreisstadt wieder über ein adäquates Hallenbad verfügt. Selbstverständlich muss die Pestalozzistraße so umgestaltet werden, dass diese nicht als Erschließungsstraße für das Hallenbad missbraucht wird. Autos haben innerhalb des Bildungs- und Sportzentrums nichts verloren. Das gilt auch für potentiell angedachte Parkplätze im Bereich des Skaterplatzes.

Bleiben wir bei der Mobilität. Städte wurden über Jahrzehnte hinweg an den Bedürfnissen der Autos ausgerichtet. Die künftige Verkehrspolitik muss die Balance zwischen Fuß-, Rad und Autoverkehr sowie ÖPNV wieder herstellen. Selbstverständlich wird in einer Stadt wie Weinstadt das Auto weiterhin eine zentrale Rolle spielen. Der Fokus muss aber darauf liegen, dem Fuß- und Radverkehr mehr Raum zu geben. Da werden auch Straßen oder Stellflächen, die heute dem Auto vorbehalten sind, umgewidmet werden müssen. Einfache Lösungen wird es nicht geben. Das zeigt sich gerade an der Diskussion um den Radschnellweg. Im Frühjahr hat sich der Gemeinderat auf eine Trasse auf der Schorndorfer Straße verständigt. Das ist aktuelle Beschlusslage und dahinter stehen wir. Eine Trasse nördlich der B29 ist für uns undenkbar. Bislang konnte auch noch keine andere Alternative südlich der B29 die zwei zentralen Anforderungen an einen Radschnellweg besser erfüllen.

Besichtigung der für die Radschnellverbindung vorgesehenen Strecke

Nachdem die Mieten in den letzten Jahren immer weiter geklettert sind, kommt jetzt auch noch die extreme Steigerung bei den Lebenserhaltungskosten hinzu. Beides trifft gerade Geringverdiener. Hinzu kommt, dass die Mieten in Weinstadt ohnehin schon zu den teuersten in Deutschland gehören. Es ist traurige Realität, dass sich ein Leben in Weinstadt nicht mehr Jede und Jeder leisten kann. Auf uns als Stadt kommt hier eine besondere Verantwortung zu. Es sind bereits Schritte in die richtige Richtung unternommen worden. Dazu gehört insbesondere die Sozialquote für Investoren, die dazu verpflichtet, dass 25% des entstehenden Wohnraums sozial gefördert werden. Wir hatten darüber hinaus eine Initiative gestartet, dass die Stadt mit einer eigenen Gesellschaft selbst Wohnraum baut und zur Verfügung stellt. Nachdem unser Antrag keine Mehrheit gefunden hatte, werden wir in Zukunft weiterhin auf externe Bauträger wie zum Beispiel die Kreisbaugesellschaft oder Genossenschaften angewiesen sein. Mit ihrer Hilfe kann günstiger Wohnraum entstehen. Die Grundstücke bleiben dabei in der Hand der Stadt und werden nicht verkauft. Das ist nachhaltige Bodenpolitik.

Seit 10 Jahren gibt es in Weinstadt nun einen Jugendgemeinderat. Im kommenden Jahr stehen die Wahlen für den sechsten Jugendgemeinderat an. Wir möchten den aktuellen Jugendgemeinderätinnen und Jugendgemeinderäten für ihre tolle Arbeit danken. Die Aktionen und Anträge in den letzten zwei Jahren haben gezeigt, dass ihnen sehr daran gelegen ist, den Alltag für die Jugendlichen in Weinstadt zu verbessern, aber auch den Anspruch formuliert, in gesamtgesellschaftlichen Diskussionen Akzente setzen zu wollen.

Zum Ende der Rede möchte ich noch auf ein trauriges Ereignis aus dem vergangenen Jahr eingehen – den Tod unseres Fraktionskollegen Hans Randler. Über zwei Jahrzehnte gehörter er dem Gemeinderat an, zwölf Jahre davon als Vorsitzender unserer Fraktion. Im Juni erlag er seiner Krankheit. Mit Hans haben wir einen engagierten Kommunalpolitiker, einen Mitstreiter und einen Freund verloren. Seine Verdienste für die Stadt möchten wir an dieser Stelle noch einmal würdigen.

Abschließend möchten wir uns bei der Stadtverwaltung, den Stadtwerken und den anderen Gemeinderatsfraktionen für die konstruktive Zusammenarbeit bedanken.

Julian Künkele

Ortsverein Weinstadt der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

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