Haushaltsrede der SPD-Fraktion 2021
Julian Künkele, Vorsitzender der SPD-Gemeinderatsfraktion
In der Gemeinderatssitzung am 25.02.2021 hielt der Vorsitzende der Fraktion, Julian Künkele, die Haushaltsrede für die SPD-Fraktion. Die Haushaltsreden im Gemeinderat geben traditionsgemäß einen Überblick über die Schwerpunkte der Fraktionen für das neue Haushaltsjahr.
Rede zum Haushalt 2021
SPD Fraktion
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Scharmann,
sehr geehrter Herr Bürgermeister Deißler,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
das zurückliegende Jahr hatte sich wohl niemand in dieser Art vorstellen können. Ich möchte hier nicht all die Sätze aufgreifen, die in diesem Zusammenhang gerne verwendet werden. Wir kennen sie alle genug aus den täglichen Berichten in den Medien. Auf einige Folgen dieser Krise möchte ich hier dennoch eingehen. Für viele Menschen brachte diese Krise tiefe Einschnitte mit sich, auch finanzieller Art. Gleiches gilt für den Einzelhandel der Umsatzeinbußen von bis zu 100% hinnehmen musste, während auf der anderen Seite der Onlinehandel Rekordumsätze macht. Friseure, Fitness- und Kosmetikstudios, Restaurants und Bars, die Kultur und viele weitere hatten teilweise zu 100% geschlossen. Sie alle tragen damit dazu bei, die Gesellschaft zu schützen. Dafür dürfen sie nicht auch noch den Preis zahlen. Es kann nicht sein, dass die finanziellen Entschädigungen dafür sehr oft nicht ankommen. Die Pandemie wird das gesellschaftliche Leben noch einige Monate bestimmen. Noch ist nicht absehbar, welche Auswirkungen das auf unsere Ortszentren haben wird.
In diesem Zusammenhang möchten wir auch noch einmal betonen, dass die Umgestaltung der Endersbacher Einkaufsstraße trotz des extrem hohen Investitionsvolumens weiterhin Priorität hat. Nur eine zeitgemäße Einkaufsstraße mit ausreichend Platz für Fußgänger und Radfahrer und Orten zum Verweilen kann eine lebendige Ortsmitte auch auf lange Sicht garantieren.
Auch am städtischen Haushalt geht diese Krise nicht spurlos vorüber. Dies zeigte sich zum ersten Mal als Mitte des vergangenen Jahres Projekte in Millionenhöhe zunächst einmal verschoben werden mussten. Die Aufstellung des Haushaltsplans in dieser unklaren Situation ist eine große Herausforderung, für die wir Herrn Weingärtner und seinem Team danken wollen. Im letzten Jahr gab es finanzielle Hilfen durch Land und Bund, die zumindest einige Ausfälle und Gebühren kompensieren konnten. Wir appellieren an Bund und Land auch in diesem Jahr den Kommunen finanziell beizustehen. Die Krise ist noch lange nicht durchgestanden. Aufgrund der unklaren finanziellen Perspektive haben wir uns dieses Jahr dazu entschieden, keine Haushaltsanträge einzureichen. Einen zukunftsträchtigen Antrag möchten wir heute dennoch einreichen, aber dazu später mehr.
Wir stehen zur Remstalkellerei. Weinstadt ohne den genossenschaftlichen Weinbau ist für uns nicht vorstellbar. Wir werden daher die Remstalkellerei bei ihrer notwendigen Neustrukturierung unterstützen. In erster Linie sehen wir unsere Aufgabe darin, eine möglichst schnelle Bebauung des Areals in der Kaiserstraße und Nordhaldenstraße zu ermöglichen. Gleichwohl haben wir auch eine Verantwortung für die Gesamtstadt und wir haben Regeln, die wir hier nicht außer Kraft setzen können. Das gilt für die Sozialquote sowie auch die Folgekosten, die wir als Stadt im Blick haben müssen, in erster Linie die Betreuungsplätze für die Kinder. Wir befürworten ein offenes Verfahren, in dem potentielle Investoren ihre Vorstellungen für das Areal einbringen. Wir sind optimistisch, dass es hier gelingen wird, die Interessen der Remstalkellerei und der Stadt unter einen Hut zu bringen. Der Gemeinderat muss bei der weiteren Planung in diesem zentralen und sensiblen Wohngebiet immer engstens eingebunden werden.
Auch in diesem Jahr sind mit über 2,5 Mio. Euro wieder hohe Investitionen an den Schulen vorgesehen. Insbesondere der Umbau der Grundschule in Endersbach wird uns in den nächsten Jahren stark beschäftigen. Die extremen Kostensteigerungen werden den städtischen Haushalt auf Jahre hin belasten und auch dazu führen, dass andere wichtige Investitionsprojekte, wie zum Beispiel die Grundschule Beutelsbach nicht sofort umgesetzt werden können. Auf der einen Seite müssen weitere Einsparpotentiale gefunden werden, auf der anderen Seite darf man die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen und am falschen Ende sparen. Die Schule wurde in den letzten Jahrzehnten immer wieder erweitert und umgebaut, auch weil oft zu klein oder falsch geplant wurde.
Im Haushaltsplanentwurf und bei der Vorausschau auf die kommenden Jahre kommt ein Problem immer deutlicher zum Vorschein. Die laufenden Aufwendungen, in erster Linie die Personalkosten, übersteigen die laufenden Erträge. Die größte Stellschraube, die wir in Weinstadt haben, ist die Gewerbesteuer. Nur durch die Ansiedlung von hochwertigem Gewerbe kann hier langfristig gegengesteuert werden. Wir freuen uns, dass nach hohen Investitionen nun endlich die ersten Unternehmen ins Birkel-Areal einziehen. Da die Gewerbeflächen in Weinstadt knapp sind und die Ausweisung neuer Gewerbeflächen zu oft an den schwierigen Grundstücksituationen scheitert, ist es umso wichtiger, dass bestehende Gewerbeflächen aufgewertet werden. Die Überplanung des bestehenden Gewerbegebiets Benedikt-Aucht-Wiesen kann hier als Modell für weitere Gewerbegebiete dienen.
Beim Thema „bezahlbares Wohnen“ stehen wir als Kommune in besonderer Verantwortung. Insbesondere die Mieten sind in den letzten Jahren stark gestiegen. Selbst die Pandemie hat diesen Trend nicht aufgehalten. Es ist traurige Realität, dass sich manche eine Wohnung in Weinstadt nicht mehr leisten können. Als Stadt haben wir in erster Linie zwei große Hebel, um auf die Wohnungsnot zu reagieren. Die erste Möglichkeit ist die städtische Planungshoheit. Hier wurde in jüngster Vergangenheit in Weinstadt einiges getan. Ein erster Schritt war das Baulandentwicklungsmodell von 2013, nach dem kein neues Wohngebiet entstehen kann, ohne dass zuvor die Flächen in der Hand der Stadt sind. Auch wenn das Modell punktuell weiterentwickelt werden kann, darf an dem Grundprinzip nicht gerüttelt werden. Denn nur so hat die Stadt in der Hand, wo und in welcher Form gebaut wird. Die konsequente Weiterentwicklung des Baulandentwicklungsmodells erfolgte 2019 mit dem Handlungsprogramm Wohnen. Wir hatten schon länger gefordert, dass auch private Investoren an dieser gesellschaftlich wichtigen Aufgabe beteiligt werden müssen. Die festgeschriebene Sozialquote von 25% ab einer entstehenden Wohnfläche von 500 qm sorgt dafür, dass sozialer Wohnraum nicht nur durch die Kommune bereitgestellt wird. Mit den Baugebieten Halde V in Endersbach und Furchgasse in Schnait werden nach diesem Prinzip zahlreiche neue Wohnungen entstehen. Durch eine verdichtete Bebauung können die knappen Flächen effizient genutzt werden. Auch die Stadt wurde in den letzten Jahren Ihrer Verantwortung gerecht und setzt im Bereich der Halde IV zwei Projekte mit zahlreichen sozial geförderten Wohnungen um. Letztendlich haben wir uns hier in Weinstadt in den letzten Jahren auf einen guten Weg gemacht, den wir weiterverfolgen sollten. Und dennoch müssen noch größere Anstrengungen unternommen werden, um die Mieten wieder auf ein für alle bezahlbares Niveau zu bringen.
Eine Stadt hat neben der städtischen Planungshoheit noch eine weiter Möglichkeit direkten Einfluss auf die Mieten zu nehmen: Der kommunale Wohnungsbestand. Für eine große Kreisstadt ist der eigene Wohnungsbestand der Stadt Weinstadt eher als gering einzustufen. Wir sollten es uns zum Ziel machen, den kommunalen Wohnungsbestand der Stadt in den kommenden Jahren kontinuierlich zu steigern. Dabei sollen sowohl nicht geförderte, als auch öffentlich geförderte Wohnungen entstehen. Auch wenn es elementar wichtig ist, dass neue sozial geförderte Wohnungen entstehen, darf nicht vergessen werden, dass die wirklich bezahlbaren Wohnungen in älteren Gebäuden zu finden sind. Die Stadt Weinstadt verfügt über einige ältere Wohnungen, insbesondere auch einige alte Fachwerkhäuser. Die Sanierungen ebendieser Wohnungen stellt eine Herausforderung dar. Wir beantragen daher, dass die Stadtverwaltung die Gründung eines Eigenbetriebs „Wohnraumförderung“ vorbereitet und zur Beschlussfassung im Gemeinderat vorlegt. Aufgabe des Eigenbetriebs soll es sein, den aktuellen Wohnungsbestand zu erhalten und kontinuierlich auszubauen. Damit sollen folgende Ziele erreicht werden:
- Zusammenfassen der bereits bestehenden städtischen Wohnungen in einer gemeinsamen Organisationsstruktur mit eigenem Wirtschaftsplan, nachhaltiger Bewirtschaftung und langfristiger Erhaltung.
- Neubau und Vermietung von Wohnungen insbesondere für Geringverdiener, aber auch für den freien Markt
- Neubau und Vermietung von Wohnungen für städtische Mitarbeiter, um als attraktiver Arbeitgeber auf dem Arbeitsmarkt auftreten zu können.
Für weitere Details verweisen wir auf unser Antragspapier. Wir sind überzeugt davon, dass wir mit einem Eigenbetrieb „Wohnraumförderung“ der Herausforderung des bezahlbaren Wohnens mit ganz anderer Intensität begegnen können als in der Vergangenheit und werben um Zustimmung für diesen Schritt.
Bürgerpark Grüne Mitte
Im vergangenen Jahr – Stichwort „Urlaub Daheim“ – hat sich sehr deutlich gezeigt, welchen Mehrwert die Gartenschauprojekte für die Stadt haben. Trotz großer Kritik im Vorfeld über Kosten oder Zweifel an dem Sinn dieser Maßnahmen, begeisterten die neu geschaffenen Orte auch im Jahr eins nach der Gartenschau zahlreiche Personen aus Weinstadt und Umgebung. Diese Orte gehören zur Identität Weinstadts jetzt einfach dazu. Die große Kritik an der Abrechnung der Gartenschau ist für uns nicht nachvollziehbar. Wenn man bedenkt, mit welchen Unwägbarkeiten geplant werden musste – niemand hatte zuvor eine Gartenschau geplant oder kann das Wetter vorhersehen – ist das letztendliche Ergebnis fast eine Punktlandung. Das kann man durchaus mal anerkennen. Auch die Grüne Mitte, die aufgrund des für Weinstadt extrem hohen Investitionsvolumens nicht immer einen leichten Stand hat, ist auch schon vor ihrer Fertigstellung sehr gut besucht. Auch wir haben uns in der Vergangenheit an der einen oder anderen Sparrunde beteiligt, aber grundsätzlich glauben wir, dass die grüne Mitte mit dem geplanten Parkforum – aus Holz – ein tolles Angebot für Weinstädter*innen und auch die Vereine schafft.
Im Bereich Verkehr haben wir in Weinstadt große Aufgaben vor uns. Das Auto stand zu lange im Fokus der Verkehrsplanung. Wir wollen keine Politik gegen das Auto machen, aber wir wollen die Alternativen attraktiveren. Der öffentliche Nahverkehr ist nach wie vor vergleichsmäßig teuer. Auf lokaler Ebene wollten wir hier mit einem Weinstadt Ticket gegensteuern, das nebenbei bemerkt in sehr vielen Kommunen in unserer Nachbarschaft zum Standard wird. Auf Landesebene sehen wir großen Chance in dem 365 Euro-Ticket. Das könnte eine echte Verkehrswende einläuten. Die zweite große Alternative zum Auto ist das Fahrrad. Wir sind optimistisch, dass es gelingt einen Radschnellweg von Schorndorf nach Stuttgart einzurichten. Die Planungen der Kreisverwaltungen müssen wir hier als Stadt unterstützen aber gleichzeitig aufpassen, dass der neue Radschnellweg nicht nur für jene einen Vorteil bringt, die schnell durch Weinstadt durchwollen, sondern auch für die Weinstädter*innen selbst. Als Stadt werden wir vor allem dann von dieser neuen Verbindung profitieren, wenn wir es schaffen, unser Radverkehrsnetz bestmöglich an die neue Trasse anzubinden. Wenn das gelingt ist die neue Radschnellwegverbindung ein großer Gewinn für Weinstadt, als auch das gesamte untere Remstal. Nur ein attraktives Radverkehrsnetz kann dazu beitragen, den Autoverkehr langfristig zur reduzieren. Aus dem Mobilitätskonzept und dem Lärmaktionsplan erhoffen wir uns weitere Impulse, wie wir uns als Stadt langfristig beim Thema Verkehr aufstellen können.
Trotz der Millionen Investitionen in die Kinderbetreuung in den letzten Jahren und den vielen neu geschaffenen Kindergartenplätzen – U3 und Ü3 – zeigt die mittelfristige Bedarfsplanung, dass hier auch in den kommenden Jahren großen Anstrengungen nötig sind. Wir freuen uns, dass es in Weinstadt so viele Familien mit Kindern gibt. Auf der anderen Seite benötigen wir mehr Unterstützung durch Bund und Land, sind es doch gerade die laufenden Kosten, die den städtischen Haushalt in großem Maße belasten.
Die Weinstädter Vereine blicken auf ein sehr schwieriges Jahr zurück. Es bleibt nur zu hoffen, dass das vielfältige Vereinsleben, getragen durch die zahlreichen Ehrenamtlichen, in unserer Stadt auch nach der Pandemie in der Form erhalten bleibt. Besonders freuen wird uns über die Fertigstellung des SG Cube. Die SG Weinstadt hat sich in den letzten Jahren professionell aufgestellt und macht sich fit für die Zukunft. Von dem neuen Angebot wird die Stadt profitieren, zumal die Stadt auch dafür gesorgt hat, dass auch Schulsport im SG Cube stattfinden kann. Bleiben wir beim Sport. Endlich gibt es wieder eine Perspektive für ein Weinstädter Hallenbad. Die Pläne, die durch Stadtverwaltung und Stadtwerke vorgelegt wurden, können den gordischen Knoten lösen und den jahrelangen Stillstand beseitigen. Es bleibt zu hoffen, dass die Förderung genehmigt wird (Anmerkung der Redaktion: Die Förderung ist inzwischen bewilligt.) und die Bäderfrage in Weinstadt endlich gelöst werden kann. Es ist darauf zu achten, dass durch den Badneubau nicht andere Sportflächen, in erster Linie das Kleinspielfeld und der Basketballplatz ersatzlos wegfallen. Darüber hinaus darf die Erschließung nicht über die Pestalozzistraße stattfinden. Eine verkehrstechnische Überplanung für das gesamte Areal ist notwendig.
Von unserem traditionellen Antrag zur Erhöhung der Mittel für die Umstellung der Straßenbeleuchtung auf LED möchten wir dieses Jahr absehen. Wir erhoffen uns, dass die Umstellung im Contracting Modell, wie von der Verwaltung favorisiert, wirklich zu einer beschleunigten Umstellung führt und das Thema damit erledigt ist. Weitere Beleuchtungen, in erster Linie an den Sportplätzen und dem Stadion sollten zeitnah folgen. Vor allem aus ökologischer Sicht sollte man sich von der alten Technik dringend trennen.
Bedanken möchten wir uns beim aktuellen Jugendgemeinderat, der von der ersten Sitzung an sehr präsent war und viel bewegt hat. Für die jetzt anstehenden Wahlen wünschen wir uns eine hohe Wahlbeteiligung und danach eine weiterhin gute Zusammenarbeit. Ebenfalls möchten wir uns bei der Stadtverwaltung, den Stadtwerken und den anderen Gemeinderatsfraktionen für die konstruktive Zusammenarbeit bedanken.
Julian Künkele, Vorsitzender der SPD-Gemeinderatsfraktion
Das Rems-Ufer in Großheppach
Ortsverein Weinstadt der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands